Donnerstag, 4. Dezember 2014

"Plaßmann-Challenge"

Im September war ich beim Treffen von katholischen Bloggern und Bloggerinnen in Erfurt (siehe hier). Zum Einstieg in sein Einführungsreferat hatte Professor Matthias Sellmann die Karikatur „Exoten“ von Thomas Plaßmann mitgebracht. Im Anschluss an das Bloggertreffen wurde mit Bezug auf eben dieses Bild die „Plaßmann-Challenge“ ausgerufen. Jeder und jede, der bzw. die mag, ist eingeladen, sich mit der in dieser Szene gestellten Frage auseinander zu setzen und die Antwort auf dem eigenen Blog und dem Blog „Sende-Zeit“ des Bistums Freiburg zu veröffentlichen. Hier meine Antwort, die ein wenig über die skizzierte Situation hinaus geht.

© Thomas Plaßmann. Veröffentlichung im Rahmen der Challenge mit Erlaubnis des Autors.

“Christ?! Ach! Interessant… Und was macht man da so?”
Party. Smalltalk. Dann stellt mir jemand diese Frage. Was würde ich antworten, so zwischen Cocktailglas und Schnittchen? Ich kenne meine Gegenüber ja nicht oder kaum, weiß nicht, was die von mir wollen, ob es da irgendwelches Vorwissen gibt, ob die überhaupt etwas mit Religion anfangen können. Vielleicht würde ich daher antworten:
„Man – ich sage mal lieber „ich“ - ich als Christin glaube daran, dass sich trotz all des Negativen in der Welt einmal das Gute durchsetzen wird. Nicht aus Naivität, sondern weil ich überzeugt bin, dass es da jemanden gibt, der will, dass alles gut ist. Diesen jemand nennen wir Gott. Was ich als Christin mache, ist: mich mit meinem Leben für dieses Gute einzusetzen, was eine ziemliche Herausforderung ist.
Für was setzen Sie sich denn in Ihrem Leben ein?“ würde ich zurückfragen, „Und wie machen Sie das?“
Vielleicht – hoffentlich! – kämen wir ins Gespräch, würden uns über unsere Werte und Überzeugungen austauschen. Ich würde u.a. davon erzählen, dass Christen und Christinnen glauben, dass wir Menschen diesem Gott so wichtig sind, dass er selber Mensch geworden ist in Jesus Christus. Wahrscheinlich würde dies Thema mit der Zeit nur noch eine oder zwei der Personen weiter reizen. Möglicherweise fänden wir Interesse aneinander. Dann würde ich vorschlagen, uns einmal mit mehr Zeit bei einer offenen Kirche zu verabreden. Weil es mir leichter fällt, Glaubensdinge zu erklären, wenn es auch etwas zum Sehen oder sogar zum Berühren gibt. Denn Christinnen und Christen machen das gerne: etwas mit Hilfe von Bildern und Symbolen erklären.

Bei einem solchen Treffen ginge ich mit meiner Partybekanntschaft in die Kirche hinein und zeigte ihr dort zunächst drei mir bedeutsame Orte, die auch an die Frage auf der Party anknüpfen.

Zum Weihwasser- oder Taufbecken ginge ich, spräche über die vielfältigen Erfahrungen mit Wasser: das Trinken bei großem Durst, das Reinigen, vielleicht das Heilen und hoffte, mein Gegenüber kann diese Geschichten aus eigener Erfahrung ergänzen. Ich erwähnte auch die Macht des Wassers und die Gefahr durch Überschwemmungen wie bei der Elbeflut im letzten Jahr. Und dass dieses schlichte aber auch ambivalente Wasser bei uns ein wichtiges Zeichen ist. Dass wir Kinder oder Erwachsene damit übergießen bei der Taufe. Und dass wir Christinnen und Christen so was machen, weil wir überzeugt sind: damit beginnt ein neues, frisches Leben in der christlichen Gemeinschaft, als „Kind Gottes“.

In mir mitschwingen würden bei diesem Gespräch ganz viele biblische Wasser – Geschichten: die fruchtbringenden Überschwemmungen des Nils, die Flucht des Volkes Israel aus Ägypten beim Exodus, ihre lange Zeit in der Wüste, die Taufe Jesu im Jordan und das Gespräch Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen. Es gäbe aber vermutlich nicht genügend Zeit, um etwas davon zu erwähnen.

Zum Altar würde ich auch gehen und anknüpfen an die Party, auf der wir uns begegnet sind. Ich erzählte, dass Jesus ebenfalls gerne gefeiert hat, und wie wichtig ihm war, mit seinen Freundinnen und Freunden gemeinsam zu essen und zu trinken. Die persönlichen Erfahrungen meines Gegenübers mit gemeinsamen Mahlzeiten und Feiern würden mich interessieren und was sie ihm oder ihr bedeuten. Dass wir an diesem Altartisch und um ihn herum auch im Gottesdienst ein besonderes Erinnerungsmahl feiern, würde ich natürlich auf jeden Fall erwähnen. Aber Opfertheologie, Realpräsenz und Transsubstantiation ließe ich außen vor – es sei denn, ich würde in diese Richtung angesprochen werden, was ich aber eher für unwahrscheinlich halte.

Schließlich würde ich meinem/meiner Bekannten das Ambo/Lesepult zeigen und dort über besondere Geschichten sprechen, die in einer Familie, einem Volk oder eben auch bei uns Christinnen und Christen von Generation zu Generation weitererzählt werden. Ich gehe davon aus, dass mein Gegenüber solche (Familien-) Geschichten kennt. Möglicherweise erführe ich sogar eine davon! Vielleicht wären wir uns darüber einig, wie wichtig solche Geschichten sind, weil sie Erinnerungen wach halten an bedeutsame Ereignisse und in bildreicher Sprache Erfahrungen und wichtige Werte transportieren. Und dass Geschichten und Erzählungen damit ganz wesentlich zur Identität von einer Gruppe oder Familie beitragen können. Deshalb, würde ich erklären, werden in jedem Gottesdienst an dieser Stelle überlieferte Geschichten und Erfahrungen aus der Bibel, unserem heiligen Buch, vorgelesen. Wir Christinnen und Christen machen so was auch, weil es uns verbindet über alle Grenzen und Zeiten hinweg. Vielleicht wäre am Ambo eine Bibelstelle abgebildet. Diese würde ich bei entsprechendem Interesse erzählen.

Eventuell bekäme ich darüber hinaus die Gelegenheit, etwas über die Heiligen zu erzählen oder über Maria. Über das Mitglauben mit und Lernen von besonderen Menschen, die tiefe Erfahrungen mit Gott gemacht haben und denen ihr Glaube auch in schwierigen Situationen Kraft gab. In dieser konkreten Spätherbstsituation würde ich anknüpfen an St. Martin und den heiligen Nikolaus und warum wir das machen mit den Martinsumzügen und den Geschenken am Nikolaustag.

Anhand des Kreuzes oder des Kreuzwegs könnten wir über Leid und Gewalt sprechen, aber auch über die Liebe und unsere christliche Überzeugung, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Mich würde sehr interessieren, wie und wofür jemand lebt, der bzw. die diese Hoffnung nicht hat. Das Kirchengebäude könnte auf sehr vielfältige Weise zu uns sprechen.

Vielleicht würden wir auch eine Kerze anzünden und über Geburtstagskerzen, Adventskränze und Grablichter sprechen. Oder über das kleine Nachtlicht, das Kinderängste vertreibt, die Taschenlampe bei Stromausfall, die Kerze vor dem Foto eines geliebten, fernen oder verstorbenen Menschen und das Frühlingslicht der Sonne, das nach dunklen Wintermonaten alles zu neuem Leben erweckt. Ich würde an Menschen erinnern, die mir oder anderen in dunklen Zeiten mit ihrer Person Licht und Leben gebracht haben. Und dass Jesus Christus für uns genau so ein Mensch war und ist, der die Welt „heller“ macht. Weil es uns an ihn erinnert, machen wir Christinnen und Christen nämlich so gerne das mit dem Kerzen anzünden.

Zum Schluss würde ich mein Gegenüber einladen, sich zu setzen und mit mir für ein paar Minuten zu schweigen. Einfach so. Weil gerade das miteinander Schweigen für mich etwas sehr Kostbares in meiner Kirche ist, auch wenn es das keineswegs nur bei uns Christinnen und Christen gibt und wir es in unseren Kirchen und Häusern leider eher selten machen.

Die Chancen dafür stehen gut, dass es für uns beide eine bereichernde Begegnung werden würde: Wir beide lernten neue Gedanken und Geschichten kennen. Darüber, was man als Christ_in so macht und warum. Und wie das so ist, wenn man eben kein Christ, keine Christin ist. Beide würden wir einiges zum Nachdenken haben. Ob sich mein Gegenüber deshalb weiterhin und tiefer für das Christsein interessiert, wird dabei ebenso offen bleiben, wie die Frage, wer denn nun hier der Exot bzw. die Exotin ist.

***

Die bisherigen Texte der Bloggerkollegen und -kolleginnen:

Nach dem Bloggertreffen: Die Plaßmann-Challenge
Exoten – Überlegungen zu einem Cartoon / Prof. Matthias Sellmann, Bochum

Die Plaßmann-Challenge: Heike Sanders Antwort

Plaßmann-Challenge / Peter Winnemöller (katholon)
Plaßmann-Challenge / Heike Lux (Weihrausch und Gnadenvergiftung)
Plaßmann-Challenge / Andrea Imbsweiler (5 Brote 2 Fische)
Die Plaßmann-Challenge – meine Antwort auf Sende-Zeit.de / Maria Walter (Mein Senftopf)
Plaßmann-Challenge: Der Christ, das unbekannte Wesen / Miriam Moißl (Das hörende Herz)
Die Plaßmann-Challenge / (Lara liest)
Die Plaßmann-Challenge / Peter Essers Antwort
Christ?!…Ach!…Was macht man denn da so? / Annette (Rosenkranz+Pilgerzeichen)
Was bedeutet es für mich Christ zu sein / Angelika Kamlage (Sehen weniger gesehen werden)
Plaßmann-Challenge / Franziska Holzfurtner (Gardinenpredigerin)
Die Plaßmann-Challenge (Bethanien bloggt)
Was man als Christ so macht / Claudia Kern (Was gibt’s denn heute?)
Plaßmann-Challenge. Christ, und was macht man da so? / Maximilian Röll (Demut jetzt!)
Was ich da so mache / Claudia Sperlich (Kalliopevorleserin)
Die "Plaßmann-Challenge" - auch bei uns ein Beitrag / Doreén Knopf (Jahr des Glaubens)


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